“Essen ist ein richtiges Ereignis”, Daniela Ackermann

Sie hat sechs Kinder, lebt mit ihrer Familie im Wohnwagen und tourt durch die Welt, und ist Expertin für Stillfragen: Daniela Ackermann. Sie stillt selbst seit 15 Jahren und ist seit 2009 zertifizierte Stillberaterin. Spannend zudem: Sie lebt vegan und berät rund um vegane Schwangerschaft und Stillzeit.

Daniela, was macht eine Stillberaterin für dich aus?

Eine Stillberaterin berät die Mutter auf Augenhöhe, ohne die eigenen Ideale aufzuzwingen. Oft sind die Mütter noch auf ihrem Weg und müssen schauen, welcher für sie der richtige ist. Eine gute Stillberaterin kümmert sich regelmäßig um Fortbildungen, um immer auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu sein. Es gehört viel Empathie und Feingefühl dazu, Mütter auch in schwierigen bzw. akuten Situationen zu beraten. Ebenfalls ist es sehr wichtig die eigenen Grenzen zu kennen und zu wahren. Bei Bedarf sollte an Fachpersonal weiterverwiesen werden. Übrigens: eine Stillberaterin, die ehrenamtlich arbeitet, ist nicht schlechter als eine, die sich ihre Arbeit vergüten lässt. Ob es zwischen Mutter und Stillberaterin passt, hängt auch viel von der Sympathie ab. 

Wann ist der Darm eines Babys bereit etwas anderes als Milch zu verdauen?

Die Empfehlung der WHO lautet: Ausschließliches Stillen in den ersten sechs Lebensmonaten. Das Mikrobiom braucht 180 Tage, um vollständig auszureifen. Viel wichtiger finde ich allerdings, dass die drei Beikostreifezeichen vorhanden sind: Hand-Mund-Koordination, Rumpfkontrolle und kein Zungenstreckreflex mehr. Sind diese erfüllt, ist auch der Darm bereit für die erste Beikost. Das ist besser als eine starre Zeitangabe. Schließlich gibt es auch Babys, die länger brauchen oder (etwas) weniger als die sechs Monate, um für ihre erste Mahlzeit bereit zu sein. Die meisten Babys sind um den sechsten Lebensmonat soweit.

Viele Eltern sehnen sich den Tag der Beikost herbei – welche konkreten Tipps hast du hier?

Nicht zu viel erwarten! Am Anfang ist es eher ein Kennenlernen von Geschmäckern und Konsistenzen. Bis wirklich eine ganze Milchmahlzeit ersetzt wird, dauert es. Erst Ende des ersten Lebensjahres werden der Großteil der benötigten Kalorien durch die Beikost zugeführt. Falsche Erwartungen können zu Stress bei den Eltern und den Babys führen. 

Auf die Bedürfnisse des Babys achten. Sie sind kompetent. Sie zeigen uns wann sie Hunger haben und wann sie satt sind. Gerade beim Beikoststart sind starre Zeitpläne nicht immer sinnvoll. Es kann aber Eltern auch Sicherheit geben, daher muss man da individuell auf die Familien schauen.

Einfach machen! Lasst das Baby bei euch mitessen. Das nimmt einem ganz viel Arbeit und spart Zeit, die man mit dem Baby verbringen kann.

Bei Beikost mit Brei gibt es oft einen Fahrplan. Ist ein Beikostplan wichtig?

Der klassische Breifahrplan ist mittlerweile überholt. Das Einführen von erst einer bestimmten Gemüsesorte ist nicht notwendig und bringt auch wenig Vorteile. Ein großer Nachteil ist vor allem die niedrige Nährstoffdichte. Man kann auch direkt mit gemischten Breien starten. Oder mit einem Obst-Getreidebrei zum Beikoststart beginnen. Wichtig ist auch immer eine Fettquelle in Form von einem qualitativ hochwertigen Öl. Nicht nur für die Kalorien, sondern auch, damit die fettlöslichen Vitamine aufgenommen werden können. Für die erste Beikost würde ich als Tageszeit morgens oder mittags empfehlen (egal welcher Brei), denn so kann man schauen, wie die Verdauung des Babys auf die ersten Mahlzeiten reagiert.

Bei Baby-Led-Weaning (BLW) gibt es keinen Beikostplan. Babys essen das mit, was auf den Familientisch kommt. Können Babys selbstbestimmt essen?

Ja, sie können von Anfang an selbstbestimmt essen und an den Familienmahlzeiten teilnehmen. Meist wollen sie eh das haben, was alle anderen essen, denn sie wissen, davon geht keine Gefahr aus. Die Sicherheitsregeln für die Beikost gelten bei der babygeleiteten Beikost natürlich auch:

Kein Honig im ersten Lebensjahr. Kein Alkohol. Kein rohes Fleisch, roher Fisch oder rohe Eier. Keine prallelastischen Lebensmittel im Ganzen (Nüsse, Trauben etc.). Salzarm.

Ansonsten kann man Babys bei allen Mahlzeiten zu sich nehmen und sie frei entscheiden lassen, was und wie viel sie von den angebotenen Sachen essen möchten. Die Eltern bieten an, die Kinder entscheiden, was sie nehmen. Wir sollten daran denken, dass Essen sehr viel mehr ist als nur Nahrungsaufnahme. Es ist etwas kulturelles, etwas familiäres, es kann sogar ein richtiges Ereignis sein. All das kann und soll das Baby lernen.

Bekommt das Baby alle Nährwertstoffe bei BLW?

In der ersten Beikostzeit reichen die Nährstoffe über die Mahlzeiten eher nicht aus. Allerdings auch nicht beim Brei. Daher ist es wichtig, dass weiterhin nach Bedarf gestillt wird oder Pre-Nahrung gegeben wird. Darüber erhält das Baby weiterhin die meisten essenziellen Nährstoffe. Sind ganze Mahlzeiten ersetzt, werden auch die Nährstoffe in entsprechenden Mengen aufgenommen. Da Eisen ein Mineralstoff ist, der irgendwann im zweiten Lebenshalbjahr nicht mehr ausschließlich über die Muttermilch gedeckt werden kann, sollte man bei der Beikosteinführung auf eisenhaltige Lebensmittel achten. Bei pflanzlichen Eisenquellen (ganze Fleischstücke werden in den ersten Beikostmonaten eher nicht gegessen) sollte immer auf eine Zugabe von Vitamin C oder organischen Säuren geachtet werden.

Und was gilt es bei veganer Beikost zu beachten?

Wenn man sein Baby vegan ernähren möchte, sollte man am besten eine vegane Ernährungsberatung zu Rate ziehen. So erhält man alle wichtigen Informationen zusammengefasst. Wichtig ist das Wissen um die potenziell kritischen Nährstoffe. Drei davon, die supplementiert werden sollten sind Vitamin D, Vitamin B12 und Omega 3. Vitamin D bekommen alle Babys vom Kinderarzt verschrieben. Als Veganer sollte man dort ggf. um eine vegane Alternative bitten. Vitamin B12 sollte unbedingt ab Beikoststart supplementiert werden. Vorher ist das Baby über die Muttermilch versorgt, vorausgesetzt die Mutter achtet bei sich auf eine ausreichende Zufuhr. Omega 3 sollte spätestens ab der ersten komplett ersetzten Mahlzeit gegeben werden. Die weiteren Nährstoffe können gut über eine vollwertige, abwechslungsreiche Ernährung abgedeckt werden. Ansonsten sind die allgemeinen Regeln für die Beikost zu beachten. 

Was ist dein persönliches Highlight in der Stillberatung?

Ich arbeite seit 2009 in der aktiven Stillberatung, da gab es schon so einige Highlights. Positiv wie auch negativ. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir folgende Beratung: 

Eine Mutter ist aus körperlichen Gründen nicht optimal in die Milchbildung gekommen. Sie hat so gekämpft und alles gegeben, um ihre Tochter vollstillen zu können. Das haben die beiden leider nicht geschafft. Sie musste immer abpumpen und einen Teil der Mahlzeiten auch mit Pre-Nahrung zufüttern. Aber wir haben gemeinsam eine Lösung gefunden, die für sie und ihre Tochter gepasst hat. Es hat zwar gedauert, aber zum Schluss war die Mutter glücklich mit ihren Entscheidungen und hat nicht mehr an sich und ihren Fähigkeiten als Mutter gezweifelt. Denn auch bestärken gehört zu der Arbeit einer Stillberaterin dazu. 

Du bist interessiert? Und möchtest mehr von Daniela erfahren? Dann hier entlang: Sie hat eine eigene Website und schreibt auch Blogartikel. Viel Spaß beim Lesen 🙂